Markus Bandi
1922 - 1971
Die Kunst als Weg:
Die Sehnsucht
nach Erleuchtung und Geborgenheit
Zum Lebensinhalt von M.B. gehörte wesentlich die Suche nach dem "Höheren",
nach einer Welt der Schönheit und der Harmonie, nach einem Dasein, welches
mehr umfasst
als blosses "Überleben" und "Funktionieren". Er hat den
bekannten Scherzspruch oft zitiert: «Viele Menschen leben nach dem Motto:
Fressen und Saufen, das sind die drei schönsten Sachen!» Mit anderen
Worten:
Für viele ist nur das Überleben wichtig: die "Brutpflege", die Behausung, die
Ernährung. M.B. gehörte offiziell keiner Kirche an, aber das Wort von Jesus:
«Der Mensch lebt nicht vom
Brot allein» war ein Grundthema seines Lebens.
Für ihn war die Kunst, die Malerei, das Fahrzeug für die Suche nach der inneren
Heimat. Die Malerei war ihm nicht nur "Beruf' und "Arbeit", sie war Ausdruck
der Sehnsucht, sie war die Verwirklichung eines Traums, sie war eine
Entdeckungsreise. Dazu gehörte immer auch die Fähigkeit, sich zu begeistern.
Er sagte einmal: «Jeder Nicht-Begeisterungsfähige ist meiner Meinung
nach
noch gar nicht geboren - oder ein wandelnder Kadaver!»
Die Malerei war ihm ein Mittel zur Introspektion, zum «In sich gehen». Er
sprach von der Sonnenseite und der Mondseite eines Menschen.
Beide Seiten
sind nötig für das Gleichgewicht. Die Sonnenseite ist lebenskräftig, nach aussen
gewandt, mitteilsam, auf die Lösung der Alltagsprobleme ausgerichtet. Die
Mondseite dagegen ist weich, empfindsam, nach innen
gerichtet. Beim Malen
sei es die Mondseite seines Wesens, welche sich ausdrücke. Das Insichgehen
bringt innere Ruhe, Einsicht und "Visionen", an welchen der Betrachter eines
Kunstwerks teilnehmen kann.
Sein
Interesse galt auch Fragen der Wissenschaft und der Philosophie. Auf
autodidaktischem Wege erarbeitete er sich gute Kenntnisse der Darwin'schen
Entwicklungslehre. Er hat in vielen nächtlichen Stunden praktisch das gesamte
Werk Darwins
gelesen. Es faszinierte ihn, wie dieser Forscher durch geduldige,
sorgfältige Beobachtung eine neue Weltsicht der Biologie erschuf: Alle
Lebewesen verändern sich im Laufe der Jahrmillionen, und diese
Veränderungen führen
mit der Zeit dazu, dass gewisse Arten in der weltweiten
Wettbewerbssituation geringere Überlebenschancen haben und aussterben - oder
infolge anderer Veränderungen sich eben doch behaupten können. Die Folge
davon ist, dass
das Gesicht der Pflanzen- und Tierwelt auf dieser Erde sich
ständig verändert, wie durch unzählige Bodenfunde genaustens belegt ist. Ein
Zeitreisender in die Epoche der Dinosaurier (vor ca. 100 Millionen Jahren)
würde
eine völlig andere Welt vorfinden!
Diese dynamische WeItsicht hat philosophische Konsequenzen: die
Vergänglichkeit und Veränderlichkeit des Bestehenden wird offensichtlich. Das
scheinbar Sichere und Gegebene wird relativiert. Umso vordringlicher stellt sich
daher die Frage, was denn nun unser eigentlicher Besitz, was denn nun wirklich
wertvoll und wichtig für uns sei.
Trotz dem Interesse
für die Bewusstseins-Erweiterung, welche die Wissenschaft
mit sich bringt, stand M.B. gewissen Aspekten der naturwissenschaftlich-
technischen Ausrichtung kritisch gegenüber. Er sah im "kindlich-genialen
Gemüt eines Künstlers
oder auch eines Asketen" einen möglichen Gegenpol
zum rein materialistischen Denker. «Warum sollten denn Menschen wie ich und
Hunderttausende andere malende, musizierende und schreibende
Künstleridealisten, Asketen und
Denker nicht vermehrt in diese so
hochwohllöbliche "Wissenschaft mit Atomblitz-Finale" hineinreden können?»
In einem Aufsatz schreibt er 1952 als 30jähriger über die Erfindungen der
Menschheit:
«Mit was für unglaublichen Kombinationen erleichtern diese
Arbeitstiere und Denker sich nicht ihr "Leben", verschaffen sich aber auch die
ungeheuerlichsten und unmenschlichsten Vernichtungseinrichtungen? Ja, sie
scheinen den
Punkt wohl schon längst erreicht zu haben, an dem sie, willig und
froh ergeben, sich dieser Maschinerie unterwerfen. Sie sagen diesem grausamen
Weg in eine selbstgebaute Sklaverei Disziplin, Ordnung in der Freiheit,
schlechthin Zivilisation
... »
Und er fragt sich, was der Künstler in Bezug auf diese unheilvolle Entwicklung
für eine Rolle spielen kann. Seine Aufgabe ist nicht, einen Kampf gegen die
immer tiefer absinkende Vorstellung
von "Leben" zu fuhren. Das einzige nötige,
und einzig wirksame, ist der Kampf gegen mich selbst, gegen alles in mir, was
noch nicht frei, noch nicht ehrlich ist. Die Sehnsucht nach Freiheit und
Schönheit ist die ständige
Begleiterin des Künstlers in seinem Schaffen. Sie ist
der Leitfaden auf seiner langen Reise in die innere Heimat.
Adrian Bandi, Oktober 2000